Heute spreche ich mit Herrn Dr. med. Michael Winterhoff. Er ist Kinder- und Jugendpsychiater mit eigener Praxis in Bonn. Zudem ist er Autor vieler Bücher, wie „Warum unsere Kinder Tyrannen werden“, „Mythos Überforderung“ und „Deutschland verdummt“.
Vielen herzlichen Dank Herr Dr. Michael Winterhoff, dass Sie sich für dieses Gespräch Zeit nehmen. In den letzten Monaten sind viele unterschiedliche Sachen passiert, die in der Geschichte einmalig sind, wie das Spielplätze gesperrt wurden, die Schulen und Kindertagesstätten geschlossen waren, Kinder mit ihren Freunden nicht spielen und ihre Großeltern nicht sehen durften. Welche Folgen hat das für die Kinder?
Herr Dr. med. Michael Winterhoff: Kinder können mit allen Gegebenheiten so gut umgehen, wie die Erwachsenen. Das heißt wenn die Eltern das mit einer Ruhe begleitet haben, wird das kein Problem sein.
Wenn die Kinder wieder in die Schule kommen und die Schule das auch mit einer Ruhe begleitet, ist das für die Kinder kein Problem.
Kinder kommen mit den Gegebenheiten so gut klar, wie die Bezugspersonen.
Wenn ein Kind Eltern hat, die panisch sind, überträgt sich das auch auf das Kind.
Für die Kinder war das eine Ausnahmesituation und es war eine lange Zeit, aber die Kinder können das in dem Sinne nicht realisieren.
Die Kinder, die ich in meiner Praxis habe, freuen sich, dass sie jetzt wieder in die Schule gehen dürfen.
Sie freuen sich auf ihre Klassenkameraden und merken, dass die Schule besser ist als zuhause zu sitzen.
Schüler, die vorher die Schule negativ gesehen haben, sehen sie jetzt als positiv. Zumindest in der Startphase.
Sind das dann gute Entwicklungen?
Herr Dr. med. Michael Winterhoff: Oh, da sind viele gute Entwicklungen. Endlich dürfen Lehrer wieder Regeln aufstellen und sie sind als Zentralfigur gefragt. Der Lehrer darf wieder lenken und führen.
Aufgrund des Abstandsgebots ist eine Vielfalt hinsichtlich der Unterrichtsmethoden nicht möglich. Deshalb gibt es nur noch Frontalunterricht. Wie bewerten Sie diese Entwicklung für die Beziehungsbildung? Denn in Ihrem Buch „Deutschland verdummt“ schreiben Sie, dass eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung der Psyche Bindung und Orientierung ist.
Herr Dr. med. Michael Winterhoff: Super! Endlich dürfen Lehrer wieder Lehrer sein. Der Lehrer ist in Deutschland abgeschafft worden. Es gibt nur noch Lernbegleiter.
Ein Kind ist nicht in der Lage für sich zu sorgen und für sich in die Schule zu gehen.
Nehmen Sie das Beispiel Zähneputzen. Wenn Sie das Kind nicht begleiten, wird es abends die Zähne nicht putzen oder mal mehr und mal weniger.
Das heißt erst mit 15/16 Jahren kann man entwicklungsmäßig für sich in die Schule gehen und man sieht, dass es um das eigene Leben und die eigene Zukunft geht.
Vor dem 15. Lebensjahr gehen die Kinder für die Lehrer und die Eltern in die Schule. Es geht nicht um die Frage der Unterrichtsform, ob Frontalunterricht oder Gruppenarbeit, sondern, dass der Lehrer über die Beziehung arbeiten muss.
Der wichtigste Motor ist die Beziehungsebene. Nur über die Beziehung kann das Kind seine Psyche bilden. Die Schule hat immer sehr zu der Bildung der Psyche beigetragen.
Aber wenn es politisch gewünscht ist, dass Kinder auf sich gestellt sind und der Lehrer nur noch Begleiter ist, können Kinder nur noch lustorientiert arbeiten.
Und sie können sich emotional-sozial nicht weiterentwickeln. Das Ergebnis haben wir schon: 50% der Heranwachsende sind nicht ausbildungsreif.
Die Bildung ist durch die Politik völlig zerstört worden. Und Sie sehen das auch an diesem Digitalpakt.
Es stehen 5 Milliarden bereit und sollen abgerufen werden. Sie werden jedoch nicht abgerufen, weil die Lehrer das nicht für sinnvoll halten.
Sehen Sie die Maskenpflicht und das Abstandsgebot als ein Problem für die Beziehungsbildung an?
Herr Dr. med. Michael Winterhoff: Nein. Wenn man eine Schule hätte, die klare Regeln hat, wie bspw. man begrüßt sich und rennt nicht durch die Flure und alle Lehrer diese Regeln vor den Schülern vertreten würden, wäre das genial. Das wäre eine wichtige Grundlage.
Nehmen Sie den Straßenverkehr. Der funktioniert nur, weil wir uns darauf verlassen können, dass egal wo wir in Deutschland bei „Rot“ fahren und unabhängig davon welcher Polizist vor uns steht, wir für 4 Wochen keinen Führerschein haben.
Es ist egal wieso, weshalb, warum. Das neue jetzt ist, dass übergeordnet Maske und Abstand angeordnet worden sind.
Jeder Lehrer muss und darf sich daran halten.
Von daher haben wir jetzt für mich stellvertretend für viele andere Dinge klare Regeln. Und der Lehrer hat nun die Aufgabe diese dem Schüler aufzuzeigen und durchzusetzen.
Das würde ich mir in der Schule wünschen.
Derzeit wird aufgrund des Fernunterrichts Wert darauf gelegt, dass die Schule digitalisiert wird. Und der Präsident des deutschen Lehrerverbands sieht die Digitalisierung als die Chance der Krise an. Zudem befasst sich die Kultusministerkonferenz mit der Frage, wie der Fernunterricht Teil des Schulgeschehens werden kann. Für den Fernunterricht sollen Schüler sich digitale Endgeräte ausleihen können. Sind aus Ihrer Sicht der Fernunterricht und die Digitalisierung der Schule förderlich für die Schüler?
Herr Dr. med. Michael Winterhoff: Hoch schädlich.
Wenn es um die Schule geht, redet jeder rein. Die eigentlichen Leute sind die Lehrer und die werden gar nicht gefragt.
Das heißt es sind Leute am Werk, die gar keine Ahnung davon haben, was Kinder brauchen.
Es geht doch letztlich um Kosten. Es ist doch viel günstiger Homeschooling zu machen. Da kann ich dann demnächst die Schulgebäude abschaffen oder reduzieren und die Lehrer brauche ich dann auch nicht mehr in der Menge.
Das ist doch der Wahnsinn.
Die Frage ist doch, was sind uns Kinder heute wert. Und in der Gesellschaft sind sie uns wenig wert. Zumindest unter Kostenaspekten.
Wenn es um Digitalisierung geht, ist es wichtig die Basis dafür gelegt zu haben. Das muss in der Grundschule passieren.
Dabei geht es nicht nur um das reine Lernen, sondern auch um das Erlernen einer Arbeitshaltung und sozialer Fähigkeiten. Das dann später im Erwachsenenalter als Soft Skills bezeichnet wird.
Das muss als Basis in der Grundschule gelegt werden. Das kann eine Digitalisierung nicht ersetzen.
Es gibt mittlerweile Länder, wie Neuseeland, die weit vor uns die Schulen digitalisiert haben und nun haben sie die Tablets und Co wieder abgeschafft.
Das ist doch alles nicht mehr neu. Es fehlen Untersuchungen über die Sinnhaftigkeit.
Man könnte eine Grundschule digitalisieren und eine andere nicht. Dann schaut man am Ende der 4. Klasse was die Kinder können. Dazu zählt dann nicht das reine Wissen, sondern auch erworbene Fähigkeiten.
Wie ist die Arbeitshaltung? Wie ist die soziale Leistung?
Diese Vorstellung, man sollte Kinder früh in die Digitalisierung bringen, damit sie nachher in einem digitalen Zeitalter klar kommen, ist eine völlig abstruse Vorstellung.
Sie geht weit an dem vorbei, was Kinder brauchen.
Sie wären dafür, dass nach den Sommerferien ein regulärer Schulbetrieb wieder aufgenommen wird?
Herr Dr. med. Michael Winterhoff: Ja, klar. Das ist dringend notwendig. Denn Kinder brauchen Beziehungsanleitung.
Man hat doch jetzt die Familien allein gelassen.
Eine Freundin von mir arbeitet in einem riesigen Weltkonzern als Personalchefin. Sie haben nach Corona-Beginn sofort Räumlichkeiten angemietet und ausgebaut, damit sie alle ab dem 1.5. unter den besonderen Corona-Bedingungen wieder arbeiten können.
Ich habe noch nie gehört, dass eine Schule Container angefordert hat. Also mehr Räumlichkeiten, um das entzerren zu können. Dafür werden keine Gelder bereitgestellt. Die Schulen sind auf sich gestellt.
Die Eltern sind völlig überfordert. Eltern, die arbeiten müssen, können nicht real für die Kinder da sein. Viele Arbeitgeber verlangen, dass sie von Zuhause aus arbeiten. Eine Mutter oder ein Vater kann jedoch nicht arbeitend sein und Mutter oder Vater sein. Das geht nicht.
Kinder, die mit ihren Eltern zusammen – Personenzentriert – gelernt haben, werden vieles können.
Wenn man die Vorstellung hat, dass sich die Kinder alles vom PC holen und alles allein für sich machen, dann behaupte ich, dass viele das nicht tun werden. Und das Gelernte bleibt nicht hängen.
Das ist typisch für dieses Land. Dieses Land hat keine Konzepte mehr, weder für Migranten noch für Logistik und schon gar nicht für die Bildung. Es wird alles schöngeredet.
Dahinter stehen Interessen und Geldsparen, Räumlichkeiten und Lehrer einsparen.
Aber für die Entwicklung, die wir haben, dass über 50% nicht arbeitsfähig sind, dazu gibt es klare Statistiken. Das interessiert die Leute nicht.
Man muss sich verdeutlichen, dass diejenigen, die jetzt nicht arbeitsfähig sind es ihr ganzes Leben nicht sein werden.
Das heißt dieses Land muss sind Gedanken darüber machen, wo wir hinwollen.
Die Pädagogik, die von oben nach unten diktiert wird, sodass der Lehrer nur noch Lernbegleiter ist und die Schüler sich alles selbst erarbeiten, ist bisher noch nicht untersucht worden.
Man ist noch nicht mal dazu bereit zu hinterfragen, was man da in die Wege geleitet hat. Dahinter steckt reine Ideologie.
Wollen wir ein Land werden, das demnächst Menschen hat, die immer versorgt werden müssen?
Wenn sie nicht versorgt werden, werden sie rebellisch und nehmen sich das, was sie haben wollen?
Das heißt die neue Entwicklung geht in die Richtung, dass sich die Psyche der Kinder nicht mehr entwickeln kann. Sie wird auf dem Stand von Kleinkindern gehalten.
Sind haben gesagt, dass die Kindheit, die einzige Phase ist, in der ein Kind keine Verantwortung zu tragen hat. Dazu passt eine Frage einer Grundschullehrerin. Wenn die Kinder ihre Masken vergessen, ist sie verpflichtet den Kindern zu sagen, dass sie die Maske zu tragen haben, weil sie dadurch dafür sorgen, dass ihre Mitmenschen und die Menschen, die sie lieben, wie ihre Eltern gesund bleiben. Das sieht diese Grundschullehrerin hinsichtlich der Übertragung von Verantwortung auf die Kinder bedenklich. Wie sehen Sie das?
Herr Dr. med. Michael Winterhoff: Das ist eine Moralisierung. Das heißt man erklärt dem Kind, warum es sinnvoll ist eine Maske zu tragen. Das ist keine Frage. Verantwortlich dafür, dass die Kinder eine Maske haben, sind die Erwachsenen. Wenn ich sehe, dass ein Kind keine Maske hat, dann habe ich eine Ersatzmaske.
Eine andere Lehrkraft stellt als Elternteil die Frage, wie sie ihr Kind gegen Ausgrenzungen oder gar Anfeindungen stark machen kann, wenn es die Meinung anderer Kinder oder Erwachsener, wie Lehrkräften nicht teilt? Wie bspw. das die Maskenpflicht nicht sinnvoll ist.
Herr Dr. med. Michael Winterhoff: Erst Mal muss man ganz klar sagen, dass ich die Maskenpflicht gar nicht diskutieren kann.
Dann können wir auch anfangen darüber zu diskutieren, ob wir bei Rot gehen und bei Grün stehen bleiben.
Das sind Gegebenheiten, die habe ich zu akzeptieren. Auch Jugendliche müssen akzeptieren, dass sie Gegebenheiten zu akzeptieren haben.
Da kann ich nicht anfangen zu diskutieren. Ich bin nicht in der Position, dass ich entscheiden kann, ob eine Maske getragen wird oder nicht.
Kinder spiegeln nur das wieder, was ihre Eltern sagen.
Wenn ein Kind sich in der Schule ins „Aus“ setzt oder immer wieder in diese Position kommt, muss ich als Lehrer eingreifen.
Ich kann dem Kind sagen, dass wir hier alle eine Maske tragen und dass dies kein Thema ist oder ich sage den anderen, dass es unterschiedliche Meinungen geben darf. Und dass das kein Grund ist den anderen auszulachen.
Das ist die Herausforderung, die ein Pädagoge hat. Die Lehrkraft muss das regeln.
Eine weitere Frage, die eine Lehrkraft als Elternteil stellt, lautet: Welche Ratschläge kann ich meinem Kind geben, wenn in der Schule regierungskonform unterrichtet wird, anstatt alle Seiten der aktuellen Situation anhand von Tatsachen und Fakten neutral zu beleuchten?
Herr Dr. med. Michael Winterhoff: Eltern waren schon immer sehr gefordert ihre Kinder in ihrer Schulleistung zu begleiten. Die Schule in Deutschland ist personell nicht darauf abgestimmt, dass allein was in den Grundschulen eingeübt werden muss dort geleistet werden kann. Auch wir haben damals mit unseren Kindern vieles einüben müssen. Da wäre jetzt für mich nicht so wichtig, wie die Schule das sieht.
Ich habe noch eine letzte Frage, die sich auf Widersprüchlichkeiten, die es in der aktuellen Situation gibt, bezieht. Wie bspw., dass Kinder mit Maske und Einhaltung des Mindestabstandes vor dem Gebäude stehen müssen und von einer Lehrkraft abgeholt werden. Dann im Klassenraum weder eine Maske zu tragen haben noch einen Mindestabstand halten müssen. Wie wirken sich diese Widersprüchlichkeiten auf die Kinder aus?
Herr Dr. med. Michael Winterhoff: Es ist ein Widerspruch und dass es ein Problem ist, sehe ich auch.
Aber man muss weg von dem Gedanken, dass Kinder alles verstehen und nachvollziehen müssen. Ich muss nur so weit gehen, dass ich mich zu sehr reinhänge an dem Widerspruch, der da ist.
Das sind Entscheidungen, die gefallen sind. Es wird auch seine Gründe haben, dass sie so gefallen sind.
Kann es denn sein, dass wir 2 Jahre oder so die Schule so weiterlaufen lassen, dass die Schüler kaum unterrichtet werden?
Ob die Schulen ein HotSpot werden, werden wir sehen. Medizinisch gesehen, ist das unwahrscheinlich.
Aber auch hier ist nicht gefragt, dass der Schüler das versteht, sondern dass ich dem Schüler sage das sind die Regeln.
Das ist ein Widerspruch, aber es ist wichtig, dass ich selbst diesen Widerspruch überwinde und sage, dass es so ist und fertig.
Vielen herzlichen Dank Herr Dr. Winterhoff für Ihre Zeit und dieses Gespräch!
Was denkst Du über die Digitalisierung und die Auswirkungen der aktuellen Maßnahmen auf die Kinder?
Schreibe Deine Meinung in den Kommentaren! Ich freue mich von Dir zu lesen.
Und nicht vergessen: Mache Dein Leben zu einer atemberaubenden Reise.
Deine Victoria
Ein Hoch auf die Freiheit
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