Diese Zeilen stammen von einer Lehrkraft, die über die Seite „Deine Stimme“ anonym ihre Stimme zum Ausdruck bringt. Wenn auch Du Deine Meinung, Deine Geschichte, Deine Gedanken zum Lehrerberuf anonym mit uns teilen willst, tue dies auf dieser Seite: Deine Stimme.
Wie ein Pinguin in der Wüste so fühle ich mich im Lehrberuf. Am falschen Platz.
Ich bin mit viel Kraftanstrengung und Leiden einen weiten Ausbildungsweg gegangen und nun in einem System, einem Beruf, einem Ort angelangt, wo ich mit meinem Wesen einfach nicht hingehöre. Und ich muss nun wieder einen enormen Kraftakt bewältigen, um aus dieser Wüste den schnellsten Weg zurück ans Wasser zu finden, wo ich hingehöre und sein möchte.
Mit Begeisterung, echtem Interesse und Motivation habe ich mit super Ergebnissen mein Lehramtsstudium absolviert.
Danach die Hölle des Referendariats durchgekämpft. Ich bin nun endlich unbefristet angestellt. Aber nicht angekommen, wo ich hin will.
Ich stehe nun vor lauten Klassen, die kein Mindestmaß an Erziehung mehr mitbringen. Fehlverhalten nicht einsehen. „Nichts“ gemacht haben, auch wenn ich es gerade selbst mit eigenen Augen gesehen habe. Mich nicht respektieren, weil ich „zu verständnisvoll“ bin. Ich soll konsequent sein. Immer streng. Konferenzen, Strafen, disziplinieren, ermahnen, reden, schlechte Noten geben und Elterngespröche führen. Was ich will? Oscar Wilde, Beckett, Skakespeare lesen, Linguistische Themen analysieren, meine Fächer in der Tiefe erleben. Schreiben, sprechen, echt kommunizieren. Stattdessen erinnere ich zum tausendsten mal: „He she it das s muss mit.“ Um es dann in den Klausuren doch hundertmal falsch anzustreichen.
Ich sitze mit meinem kleinen Angestelltenlohn in meinen Ferien traurig und unmotiviert zu Hause vor sieben Klassensätzen Arbeiten und Klausuren, während meine verbeamteten A14 Kollegen mit anderen Fächern und Aufgaben stolz erzählen, dass sie keine Korrekturen mit in die Ferien nehmen und die Kreuzfahrt in Südafrika hoffentlich nicht so überfüllt ist. Ich habe von meinen Ferien wenns gut läuft mal einen freien Tag um ins Schwimmbad zu fahren. Den Rest der Zeit korrigiere ich dreißig mal den selben Pseudotext. Und das ganze sieben mal.. „Aber Bub, jammer nicht so auf hohem Niveau, Lehrer ist doch ein guter Beruf.“
Mein Wecker geht viel zu früh. Um 5.30 Uhr ist die Nacht vorbei. Ich fahre morgens lustlos hin. Im Lehrerzimmer tönt es überall: „heute habe ich Keine Lust.“ Ich Kämpfe mich durch lange Tage. Um 16 Uhr bin ich zu Hause. Liege erschlagen mit Tinnitus und Bauchkrämpfen im Bett. Sage meinen Freunden schon wieder ab, denn schwimmen schaffe ich heute nicht mehr. Müsste ja noch korrigieren. Unterricht planen. Eltern schreiben. Muss ja außerdem früh ins Bett, da ich schon so lange wach bin. Jeden Tag erschöpft, keine Energie für nichts. Tue dann heute doch nix mehr. Freue mich aufs Wochenende, denn dann muss ich da mal nicht hin. Aber Sonntag kommt die Unlust schnell zurück.
Ich plane lieber keinen Urlaub, da ich in den Ferien ja wieder korrigieren muss. Im Sommer dann vielleicht…
Der Beruf lässt mir einfach keine Kraft und Energie übrig zum Leben. Und nein, es geht mir nicht darum dass ich nicht arbeiten möchte. Denn ich arbeite viel und das ist ok. Aber ich möchte danach Zeit zum Leben haben. Einen freien Feierabend nach getaner Arbeit. Ein freies Wochenende zum gestalten und die Dinge tun, an denen mein Herz hängt. Für die ich Mensch bin. Lebensfreude erleben jeden Tag. Nicht nur vier Wochen in den Sommerferien.
Alles Geld ist mir dieses Leid nicht wert. Doch bei allen Anstrengungen noch neue Kraft zu finden um meine Wüste zu verlassen, das ist nicht leicht. Ganz und gar nicht. Mein Studium, Staatsexamen, Gehalt alles aufzugeben. So viel Zeit und Kraft vergeudet… Doch wenn ich mich in Zukunft aufrecht im Spiegel ansehen will, mir selbst wirklich treu bleiben, MEIN Leben leben möchte, dann weiß ich ganz tief drinnen, dass ich diesen Beruf endlich an den Nagel hängen muss. Und dann mit vielen kleinen Watschelschritten die Wüste hinter mir lassen werde. Und dann, irgendwann, irgendwo, an einem traumhaften Ort endlich wieder ins frische blaue Wasser zu springen, mein Element, wo ich wirklich hingehöre.
Zwei Jahre sind vorbei. Pinguin, bist du wieder ans Wasser gekommen?
Ja, liebe Lisa, der Pinguin schwimmt wieder im Wasser und ist glücklich 🙂