Diese Zeilen stammen von einer Lehrkraft, die über die Seite „Deine Stimme“ anonym ihre Stimme zum Ausdruck bringt. Wenn auch Du Deine Meinung, Deine Geschichte, Deine Gedanken zum Lehrerberuf anonym mit uns teilen willst, tue dies auf dieser Seite: Deine Stimme.
Ich bin seit 10 Jahren Lehrerin am Gymnasium in Niedersachsen. Ich bin es gerne, ich liebe es, mit den Schülern zu arbeiten, und ich denke auch, dass ich gut bin. Ich bekomme es von Schülern durchaus zurückgemeldet, dass ich emphatisch bin und mit meiner Begeisterungsfähigkeit Interesse wecken kann. Und trotzdem macht mein Beruf mich krank.
Es ist einfach so ein großer Widerspruch zwischen dem, was ich wahrnehme, was die Schüler brauchen, was ich aufgrund meiner Geschichte auch anbieten könnte, und dem, was mich Curriculum und Schulform zu tun zwingen. Es gibt kaum noch Freiräume. Alle sind Kollegen sind gehetzt und fechten ihren Kampf gegen den Lehrplan und die Zeit bis zum Notenschluss. Die ungeheure Stofffülle zwingt zum bulimischen Lernen, Abfragen und Vergessen. Persönliche Nachfragen, Auf-den-Zahn-Fühlen bei sichtbaren Schwierigkeiten oder Problemen finden in der Pause oder in der Freizeit statt. Meistens komme ich weder zum Trinken oder zur Toilette, dabei arbeite ich nur zwei Drittel. Das. was ich am besten könnte, was mich an Lektüre begeistert, ist seltenst im Lektüreplan drin.
Dann kommt noch soviel Verwaltungskram dazu. Nachmittagskonferenzen. Elterngespräche. Es ist endlos. Widerrede zwecklos. Abordnungen sind die Regel. Es werden aktuell Stellen vergeben unter der Bedingung, dass man sich für mindestens ein Jahr abordnen lässt an eine andere Schulform. Für die man nicht ausgebildet ist. Aber Scheiß drauf, Gymnasium oder Real- und Förderschule, man macht einfach vom gleichen etwas weniger…?! Ernsthaft?! Das kam am Ende dabei raus. Das war endloser Stress für mich und für die Schüler auch nicht schön.
Und ich habe ein Problem mit den Korrekturen. Ich habe immer stärker den Eindruck, dass diese Art der Leistungsmessung beim Lernen kontraproduktiv ist. Es widerstrebt mir. Ich kann aber kein anderes System integrieren.
Die Aktivitäten und Fragen, die von den Schülern kommen, Stichwort Friday for Future, werden als lästig empfunden und im Prinzip als überflüssig abgetan. Sie sollen den Ablauf einfach nur nicht stören.
Die Gesellschaft und die Bedürfnisse haben sich in den letzten hundert Jahren stark gewandelt und tun das immer weiter, aber die Schule ist im Kern so wie vor 200 Jahren. Neue Technik ändert das auch nicht. Sie ist eher ein Stressfaktor. Immer, wenn etwas Geld da ist, wird ein neuer Satz PCs, Laptops oder iPads angeschafft, so dass man jede Menge unterschiedliche Systeme hat, die mit unterschiedlichen Betriebssystemen laufen. Die ersten Whiteboards sind so alt, dass sie mit den neuen Kameras nicht mehr kompatibel sind. Und wenn es Probleme gibt, also regelmäßig, hat man entweder einen Plan B in der Tasche zu haben, oder man holt einen Kollegen, der 3 Entlastungsstunden dafür bekommt, oder einen Schüleradmin aus dem Unterricht. Das ist so demotivierend…
Die Schule ist ein wie ein Riesentanker, bei der man als Lehrer ein kleiner Matrose ist, der nur seehr wenig beeinflussen kann. Die Bedingungen schaffen Kapitän und Reederei, und solange der kleine Matrose funktioniert, interessieren die sich einfach nicht. Wenn man dann krank wird – ja, dass ist natürlich blöd, aber dann sind die Beamtenbedingungen ja so toll, dass man bei Partys echt nicht sagen darf, wie sehr einen der Beruf stresst, weil man hats ja so gut.